Fortsetzungsgeschichte zur Verdauung
Von Birgit Bonin
Hier der Link zu Teil 1 der humorvollen Reise der Organe: Die Leber will verreisen (Teil 1)
Teil 2 Die Milz grübelt
Die Milz grübelte. Und sie machte sich Sorgen. Wirkliche Sorgen. Und das nicht erst, seitdem die Leber und die Gallenblase einfach verschwunden waren. Wir sind dann mal weg. Na, die hatten ja vielleicht Nerven! Einfach abzuhauen! Und keiner wusste, wohin und weshalb. Das war wieder mal echt typisch für die Leber. Die konnte manchmal ganz schön eigenwillig sein. Und die Gallenblase machte natürlich alles mit. Immerhin waren sie ja wieder zurückgekommen, aber was diese ganze Aktion nun gebracht haben sollte, verstand die Milz überhaupt noch nicht.
Nein, sie machte sich schon viel länger Sorgen. Das Gefühl, es nicht mehr schaffen zu können, verdichtete sich immer mehr. Zu allem Überfluss wurde sie auch noch melancholisch. Zusehends geriet die Milz ins Grübeln. Wieder und wieder überdachte sie ihre Aufgaben und versuchte einen Überblick zu bekommen.
Sie war mit verantwortlich für die Immunabwehr. Sie musste alle veralteten roten Blutkörperchen abbauen und mithelfen, das Blut sauber zu halten und Eisen und Blut zu speichern. Und dann waren da noch die ganzen Nähr- und Vitalstoffe aus der Rohkost, die sie umbauen musste!
Die Milz seufzte tief. Sie war ratlos.
Neben ihr plätscherte es. Das war die Blase. Die plätscherte in letzter Zeit ziemlich häufig. Heute war es das siebte Mal in Folge. Normalerweise entleerte sie sich in diesem Zeitraum maximal einmal. Der schien es aber auch nicht besonders gut zu gehen.
„Was machst Du da?“ fragte die Blase.
„Ich denke nach“, antwortete die Milz.
„Warum und worüber?“
„Ach, über meine zahlreichen Aufgaben, und dass ich nicht mehr weiß, wie ich das alles schaffen soll.“
„Aha“, machte die Blase.
Besonders hilfreich fand die Milz das nun nicht gerade.
„Und wenn das in diesem Restaurant für Innere Organe wieder nur Rohkost gibt, dann schaffe ich es sowieso nicht mehr“, fuhr sie deshalb fort.
Aber die Blase antwortete nicht.
„Und dir geht es auch nicht besonders gut. Oder?“ fragte die Milz und hoffte auf diesem Weg weiter zu kommen.
„Nicht wirklich“, kam die Antwort. „Um ehrlich zu sein, ich wäre schon froh, wenn ich nicht mehr so oft plätschern müsste. Ist echt unangenehm.“
Beide schwiegen jetzt wieder. Die Milz und die Blase. Und die Milz begann erneut zu grübeln.
Da hörte sie die Blase wieder neben sich.
„Geh doch mal hin zur Leber und frag sie, ich meine wegen der Rohkost.“
Stimmt, da hatte die Blase eigentlich Recht.
Die Leber sah es sofort. Die Milz ist skeptisch, dachte sie.
Ziemlich skeptisch sogar. Und obendrein macht sie sich Sorgen. Sie war sozusagen überhaupt nicht in ihrem Gleichgewicht. Na, das konnte ja noch heiter werden. Da würde jetzt mit Sicherheit zeitnah ein Kommentar folgen.
„Das mit dem Restaurant für die Inneren Organe, also dieses Restaurant, ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob das hilft und ob ich das wirklich will.“
Na toll – und jetzt?.
„Wenn ich da wieder nur Rohkost essen soll, dann gehe ich gar nicht erst hin.“
Natürlich legte die Milz nach. Wenn sie erst mal in Fahrt war…
Auf der anderen Seite von der Milz seufzte jetzt der Magen:
„Wie weit ist das denn überhaupt?“
Die Leber merkte, dass sie zusehends an ihre Grenzen kam und dachte an die beschwerliche Reise. Das zu erzählen, würde jetzt dem Ganzen noch den Rest geben. Und die anderen Organe waren auch schon ziemlich verunsichert.
Zu allem Überfluss stieß jetzt der Magen auch noch deutlich sauer auf.
Man konnte das förmlich riechen. Das ging leider auch schon eine ganze Weile so. Er produzierte einfach zu viel Magensäure. Demnächst kam dann bestimmt wieder die Speiseröhre an und beschwerte sich über Sodbrennen.
„Entschuldigung“, kam es da auch schon vom Magen, „ ich habe heute wieder nur Stress.“
Dann seufzte er wieder und rollte sich ein wenig zusammen. Der Magen konnte genauso melancholisch werden, wie die Milz, wenn es ihm nicht gut ging. Aber damit nicht genug, da tönte auch schon eine unverkennbare Stimme aus dem Hintergrund:
„He, hallo Magen, hör jetzt sofort auf damit, Du bildest immer noch zu viel Säure. Außerdem ist dein Eingang wieder nicht zu!!“
Hatte die Leber es nicht geahnt?
„Das wird alles anders“, rief sie der Speiseröhre zu, „wir gehen jetzt in ein Restaurant für Innere Organe. Das hilft sicher.“
„Wie bitte? Na hoffentlich!“
Die Speiseröhre hatte natürlich kein Wort verstanden.
Wie sollte sie auch! Die Leber seufzte. So kamen sie nicht mehr weiter. Die Hilfe musste jetzt bitte von einer anderen Seite nahen. Sie war ratlos und verlor zusehends die Fassung. Das merkte sie immer daran, dass sie sich plötzlich über Sachen aufregte, die sie sonst nie ärgerten. Wirklich nie! Wie zum Beispiel die Speiseröhre. Also wirklich! Was sollte sie nun tun? Sie hatte doch nur helfen wollen.
„Du weißt genau“, hörte sie da wieder die traurige Stimme der Milz neben sich, „warum ich nicht nur immer Rohkost essen kann?“
„Ja“, beeilte sie sich zu sagen, „ja, ich weiß das doch, du musst dann für mich alle Nährstoffe aus der Rohkost umwandeln, damit ich sie überhaupt verwenden kann. Und das ist ganz schön anstrengend.“
“Aber“, fuhr die Leber fort, und sie bemerkte dabei, dass jetzt auch die anderen Organe, welche bisher heftig diskutiert hatten, wieder leise wurden und zuhörten, „aber Du musst dort auch keine Rohkost essen.“
„Ich dachte, da gäbe es ganz viel Rohkost! Das finde ich aber jetzt schade!“, warf da die Lunge ein und hustete dann ziemlich heftig. Sie wusste echt nicht, warum. Wohlmöglich hatte sie eine Allergie oder sowas. Das fehlte gerade noch.
„Ja für Dich“; rief jetzt die Leber. „Das ist es ja gerade. Für Dich ist das gut, aber für die Milz eben nicht unbedingt.“
„Nicht?“
„Nein, jedes Organ hat seine eigene Speisekarte, wir haben es doch selber gesehen. Jeder bekommt das, was für die eigene Arbeit am besten ist.“
Alle schwiegen. Ziemlich lang sogar.
„Ich verstehe“, begann die Leber erneut, “dass das schwierig zu verstehen ist. Man muss es ausprobieren. Das haben wir doch auch gemacht, nicht wahr?“
Sie blickte zu ihrer Gallenblase und diese nickte.
„Und“, so fuhr die Leber fort, „uns geht es wirklich schon sehr viel besser.“
Die anderen Organe schwiegen immer noch. Und sahen ratlos aus.
Dann, nach einer sehr langen und sehr stillen Pause blickten alle plötzlich wie auf ein geheimes Kommando hin zum Herzen. Die Leber merkte es sofort, und erneut keimte Hoffnung in ihr auf.
Auch das Herz hatte bisher geschwiegen. Aber vielleicht änderte sich das ja, dachte die Leber. Denn das Herz war immer das einzige Organ gewesen, auf das die anderen im Zweifelsfall wirklich gehört hatten. So schien es auch heute zu sein.
Das Herz hing leider immer noch schief. Trotzdem, irgendwie sah es in diesem Augenblick anders aus. Etwas von seinem alten Glanz schien mit einem Mal wieder wie ein bunt schillerndes Band in seinen zahlreichen Kranzgefäßen zu schimmern.
Und dann sprach das plötzlich das Herz.
„Ich habe Hoffnung.“, sagte es und lächelte völlig unvermittelt. Mehr sagte es nicht. Aber diese drei Worte genügten, um die Atmosphäre im Raum schlagartig zu verändern.
Es hatte funktioniert. Die Leber spürte, wie sich nach und nach alle immer mehr entspannten. All die Aufregungen, all die Abenteuer, all die Anspannungen der letzten Tage schienen sich nun doch gelohnt zu haben. Das Herz würde das Machtwort sprechen. Das wusste die Leber mit einem Mal, und im gleichen Augenblick bemerkte sie außerdem, während sie ihren einen Lappen leicht nach vorne bog, wie die Gallenblase grinste. Tatsächlich, sie grinste. Das hatte es lange schon nicht mehr gegeben. Die anderen Organe sahen es nicht. Ihr Blick war nur auf das Herz gerichtet.
Und das Herz sprach weise seine Worte. Obwohl es immer noch etwas schief hing, brachte das Herz es in der Aussicht auf neue Hoffnung fertig, weise Worte zu sprechen. Es sprach von Veränderungen. Es sprach davon, dass man manchmal vermeintliche Sicherheiten loslassen musste, um etwas Neues, Besseres erfahren und schaffen zu können. Es sprach davon, dass es im Leben notwendig war, irgendwohin aufzubrechen, selbst, wenn man noch gar nicht so genau wusste, wohin der Weg einen führen würde. Einfach nur in der Hoffnung auf Besserung. Das Herz sprach von dem, was die Leber und die Gallenblase getan hatten. Und das Herz sprach von Sorgen und Ängsten und Zweifeln und dass man ihnen keinen Platz im Leben einräumen durfte.
Die anderen Organe lauschten. Lange lauschten sie.
Und schwiegen dann wieder. Man konnte förmlich sehen, wie sie nachdachten.
Aber plötzlich – und es erschien der Leber eine Ewigkeit vergangen zu sein – plötzlich war alles ganz einfach, ganz klar. Jedem von ihnen. Es gab kein Zögern mehr, kein Zaudern, keinen Zweifel, sie würden aufbrechen. Und zwar sofort. In der Dämmerung des vergehenden Tages und in der Hoffnung auf einen neuen, besseren Tag machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Restaurant für Innere Organe. So etwas brachte nur das Herz fertig, dachte die Leber, Begeisterung, Vorfreude und Hoffnung,. Selbst wenn es zurzeit noch etwas schief hing.
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Hier der Link zu Teil 3 der humorvollen Reise der Organe: Die Lunge will endlich frei sein (Teil 3)
Hier der Link zu Teil 4 der humorvollen Reise der Organe: Der Dickdarm ist erleichtert (Teil 4)
Birgit Bonin, Jahrgang 1958, hat in Köln Diplomsport studiert (Schwerpunkt Prävention und Rehabilitation), ist außerdem Heilpraktikerin und Beraterin für die Methode LifeTech, einem Verfahren zur täglichen Stressreduktion, zur Wiederherstellung und zum Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie selbständig in eigener Praxis. Birgit Bonin bietet Einzelarbeit an, aber auch Gruppenarbeit und Seminare, die sich den oben genannten verschiedenen Bereichen widmen. Ihr besonderes Interesse gilt der Realisierung aller erforderlichen Voraussetzungen, welche die persönliche Weiterentwicklung des Einzelnen ermöglichen.
Kontakt: Birgit Bonin, Fünfkirchener Straße 2, 63607 Wächtersbach
Mail:[email protected], http://www.heilkunst-birgitbonin.com