Krankheiten in der TCM
Was bedeutet zunächst einmal Gesundheit aus Sicht der TCM? Ein chinesischer Arzt betrachtet einen ausgewogenen, harmonischen Zustand sowohl zwischen Yin und Yang als auch innerhalb der fünf Wandlungsphasen als Gesundheit.
Das Yin Yang-System ist mittlerweile in Europa schon vielen Menschen vertraut. Diese Einteilung wird das erste Mal 2500 v. Chr. in dem Buch „Der Klassiker des Gelben Kaisers“ (auf chinesisch „Huang Di Nei Jing“) erwähnt. Der Text ist das älteste, erhaltene Werk in der Geschichte der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Darin steht beschrieben, dass alles Existierende sich in zwei Polaritäten einteilen lässt. Yin und Yang stehen in einer wechselseitigen Abhängigkeit zueinander.
Yin steht für das Weibliche und Dunkle, das Zusammenziehende, Kalte und Chronische, während Yang für das Aktive, Männliche, Zentrifugale und das Wärmende steht.
Yin |
Yang |
Innen | Außen |
Erde | Himmel |
Weiblich | Männlich |
Kalt | Warm |
Leere | Fülle |
Chronisch | Akut |
Nacht | Tag |
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass keine Polarität ohne der anderen bestehen kann. Dies möchte ich anhand eines Beispieles veranschaulichen:
Wenn man einen Mann im Verhältnis zu einer Frau sieht, dann ist der Mann im Verhältnis zur Frau Yang, während diese dem Yin entspricht. Wenn man allerdings einen durchschnittlichen Mann im Verhältnis zu einem Boxer unmittelbar vor einem Kampf sieht, dann ist der Mann Yin im Verhältnis zu dem Boxer, der in diesem Fall den Yang-Part darstellt.
An Hand der Fünf Wandlungsphasen (gleichbedeutend mit der nicht ganz korrekten Simplifizierung „Fünf Elemente“) unterteilen die Chinesen jegliche Erscheinung der Welt, d.h. alles Existierende. Nicht nur Krankheiten werden den Fünf Wandlungsphasen zugeordnet, sondern jede Eigenschaft, jede Körperfunktion, die Jahreszeiten, Farben, Geschmäcker, usw.
Auf der folgenden Abbildung sind die so genannten Fünf Wandlungsphasen dargestellt: Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser mit ihren dazugehörigen Organen. Links steht jeweils das Yin-Organ, rechts das entsprechende Yang-Organ.
An dieser Stelle eine wesentliche Bemerkung:
Wenn in der TCM von Organen gesprochen wird, dann entsprechen diese Organe keinesfalls den gleichnamigen Organen der westlichen Medizin. Wenn in der TCM z.B. von der Leber die Rede ist, dann entspricht sie nicht dem westlichen Organ Leber, das klar anatomisch definiert ist und sich rechts unter dem Rippenbogen befindet, sondern sie ist funktionell definieret. Die Leber aus Sicht der TCM ist für den Energiefluss zuständig und steht in Korrelation mit der Zirkulation des „Qi“(entspricht dem Begriff der Energie).
Zurück zu unserem Thema:
Krankheit aus der Sicht der TCM bedeutet ein Ungleichgewicht in einem der oben angeführten Systeme. Es kann ein Überschuss oder Mangel an Yin oder Yang bestehen; in Bezug auf die Fünf Wandlungsphasen kann ein Organ zuviel, dafür ein anderes zu wenig Energie aufweisen, bzw. kann auch ein Energiestau auftreten.
Wie ist die Vorgangsweise eines chinesischen Arztes?
Der chinesische Arzt beschränkt sich auf seine Sinnesorgane. Er betrachtet, fühlt und riecht.
Wenn ein Patient einen Arzt der TCM aufsucht, wird der chinesische Arzt folgende Diagnosemethoden anwenden: Anamnese-Gespräch, Gesichts-, Zungen- und Pulsdiagnostik. Diese Diagnoseformen hatten sich entwickelt, als es im alten China unüblich war, sich vor Ärzten zu entkleiden. So wurde dem Arzt lediglich die Zunge gezeigt und die Hand zur Pulsdiagnostik gereicht. Auf diese Weise kann ein TCM Arzt bereits die Diagnose stellen; er braucht keine Zusatzinformationen wie Blutanalyse, Röntgen-, Ultraschall und Computertomographiebefunden und gentechnische Analysen, wie sie bei uns im Westen gängig sind.
Es existieren in der TCM keine westlich definierten Krankheiten, wie Migräne, Grippe, Lungenentzündung, Gallensteine, chronisch entzündliche Darmerkrankung, Herzinfarkt, usw., sondern energetisch definierte Zustandsbilder im Rahmen derer ein Patient verschiedene Beschwerden aufweisen kann.
Ein typisches chinesisches Krankheitssyndrom ist die Leber-Qi-Stagnation.
Folgende Symptome kann ein Patient mit Leber-Qi-Stagnation aufweisen:
- Seitliche Kopfschmerzen
- Schluckbeschwerden
Schmerzen unter den Rippenbögen - Kalte Extremitäten
- Prämenstruelles Syndrom
- Reizbarkeit
- Seufzen
- Puls: Gespannt (xian)
- Zunge: Bläulich
Häufig ist das Hauptbeschwerdebild seitlicher Kopfschmerz (in der westlichen Medizin als Migräne bezeichnet), mit dem der Patient einen chinesischen Arzt konsultiert. Zusätzlich wird sich der chinesische Arzt nach weiteren Beschwerdebildern erkundigen, nachdem er die Zunge und den Puls des Patienten untersucht hat. Wenn die mehrere der oben genannten Symptome bestehen, wird der chinesische Arzt die Diagnose Leber-Qi-Stagnation stellen.
Anschließend gibt der Arzt Therapie-Empfehlungen. Mit Hilfe der Therapie wird versucht, den Krankheitsursachen entgegenzuwirken.
Als Krankheitsursachen aus Sicht der TCM können aufgelistet werden:
- Klimatische Faktoren (z.B.: Wind, Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Trockenheit)
- Emotionale Faktoren
- Diätfehler
- Suchtmittel
- Physische Über – bzw. Unterforderung
- Verletzungen
- Parasiten
Weiters wird auch die Konstitution des Patienten mit in Betracht gezogen. Gleiche Voraussetzungen und Verhaltensmaßnahmen führen bei manchen Menschen zu Krankheiten, während andere gesund bleiben. Als Beispiel sei der Symptomenkomplex der Feuchten-Hitze genannt. Wenn sich eine Reisegruppe in einem Land mit Feuchter-Hitze (Tropen) befindet, werden sich nur diejenigen Teilnehmer Tropenkrankheiten (westliche Definition!) zuziehen, die schon vorher Symptome von Feuchter-Hitze aufgewiesen haben (dazu zählen: Hitze-Unverträglichkeit, übel riechender Stuhl und Urin, starker Körpergeruch, gelber Zungenbelag, schneller, gleitender Puls). Diese Personen werden eher an Magen-Darm-Infekten sowie auch an Hepatitis erkranken (diese Krankheitsbilder werden in der chinesischen Medizin den Feuchte Hitze Erkrankungen zugeordnet). Die anderen Teilnehmer der Gruppe, auch wenn alle die gleiche, möglicherweise mit Keimen kontaminierte Nahrung zu sich nehmen, werden beschwerdefrei bleiben.
Zurück zur Therapie:
Den chinesischen Ärzten stehen mehrere Methoden zur Verfügung.
- Verhaltensempfehlungen
- diätetische Maßnahmen
- Akupunktur und
- als Krönung chinesische Kräutertherapie
Zu den Therapien im Einzelnen, angeführt anhand eines Beispiels, der Leber-Qi-Stagnation:
Das Ziel der Verhaltenstherapie für einen Patienten, der an Leber-Qi-Stagnation leidet, ist, den harmonischen Energie-Fluss wieder in Bewegung zu bringen. Dazu sind in erster Linie bewegende Aktivitäten wie Tanzen, Singen, Malen, im Freien spazieren gehen usw. geeignet. Der Patienten soll sich wohl fühlen und sein kreatives Potential ausleben. Alles ist erlaubt, was dem Menschen Freude bereitet. Oft werden auch Veränderungen der Lebenssituation, sei es beruflich, privat oder im Wohnbereich, und/oder aber auch von Denk- und Sichtweisen hilfreich sein.
Dies hat Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, wunderbar ausgedrückt, in dem er sagte:
„Dinge, die zu ändern sind, soll man ändern; Dinge, die nicht zu ändern sind, kann man ohnehin nicht ändern, warum soll man sich also aufregen?!“ (Letzteres entspricht der Änderung der Sichtweise!).
Der nächste Punkt der Therapie betrifft die Diätetik.
Auf die Leber-Qi-Stagnation bezogen, spielt die Diätetik nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist in diesem Fall, dass das Essen mit Freude eingenommen wird und es schmeckt. Auch wenn der Patient „sündigt“, sollte er keine Schuldgefühle haben.
Insgesamt ist es vorteilhaft, viele Kräuter beim Kochen zu verwenden. Chinesischen Lehrer empfehlen, Rotwein beim Kochen zu verwenden.
Die Therapie mit Akupunktur:
Bei Leber-Qi-Stagnation werden die klassischen Akupunkturpunkte, die das Leber-Qi befreien, verwendet. Diese sind: Leber 3, Gallenblase 34.
Zur Kräutertherapie:
Es sollen in diesem Rahmen keine chinesischen Kräuter genannt werden, sondern entsprechende westliche Kräuter Erwähnung finden. Hierbei sind z.B. Frauenmantel und Schafgarbe zu nennen. Beide wirken Leber-Qi-Stagnationen entgegen.
Dr. med. Florian Ploberger, B.Ac., MA
Literaturempfehlungen:
Ploberger, F. (2016)
Die Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin, 2. Auflage, Schiedlberg: Bacopa.
2. Auflage 2008, 196 Seiten
Ploberger, F. (2016)
Westliche Kräuter aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin, 9. überarbeitete Auflage, Schiedlberg: Bacopa.
2. Auflage 2008, 196 Seiten
Autor:
Dr. med. Florian Ploberger, B.Ac., MA
TCM-Arzt, Univ.-Lektor, Präsident der ÖAGTCM, Tibetologe, Fachbuchautor.
Stefan Müller-Gißler ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit in der Welt der Fachliteratur für alternative Medizin. Als Geschäftsführer des renommierten Verlags Müller & Steinicke hat er sich einen Namen gemacht, insbesondere durch sein Engagement und seine Expertise in Bereichen wie Homöopathie, Akupunktur und Impfen. Seine Karriere zeichnet sich durch eine tiefe Leidenschaft und ein umfassendes Wissen in diesen Fachgebieten aus.
Sein langjähriges Interesse und Engagement in diesen Bereichen geht über die reine Verlagsarbeit hinaus. Müller-Gißler ist bekannt für seine Teilnahme an Fachkonferenzen und Seminaren, wo er regelmäßig als Redner und Experte auftritt. Durch diesen Austausch mit Fachleuten und das ständige Verfolgen neuester Forschungsergebnisse hält er sich kontinuierlich auf dem Laufenden und integriert aktuelle Erkenntnisse in das Verlagsprogramm.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich Stefan Müller-Gißler auch in verschiedenen Fachverbänden und trägt so zur Weiterentwicklung und Verbreitung des Wissens in den Bereichen der alternativen Medizin bei. Sein Einfluss ist weitreichend und seine Arbeit hat wesentlich dazu beigetragen, das Verständnis und die Akzeptanz von Homöopathie, Akupunktur und Naturheilkunde zu fördern.
Insgesamt ist Stefan Müller-Gißler eine Schlüsselfigur in der Welt der alternativen Medizin. Sein Lebenswerk spiegelt seine Leidenschaft und sein Engagement für diese Fachgebiete wider und macht ihn zu einer respektierten und einflussreichen Persönlichkeit in diesem Bereich.