Gesund Leben und Ernährung in der TCM
Einleitend ein paar Sätze über die Geschichte der Chinesischen Medizin: Die Diätetik ist in der Chinesischen Medizin nur ein Teilbereich von vielen. Zusätzlich zählen Akupunktur, Kräutertherapie, Kampfkünste, Tai Qi, Qi Gong, Kalligraphie, Astrologie und Meditation zu den Künsten eines traditionellen chinesischen Arztes.
Wenn man sich als chinesischer Arzt zu einer Ausbildung in Ernährungslehre entschließt, muss man zunächst sechs Jahre Medizin studieren und dann – ähnlich wie in Europa im Rahmen einer Facharztausbildung – drei Jahre Diätetik studieren. Entsprechend hoch ist das dortige Niveau der Diätetikberatungen.
Als Student der Chinesischen Medizin versucht man möglichst nahe an das Wissen und die Weisheit der Alten Meister heranzukommen. Das klassische Werk der Chinesischen Medizin heißt „Huang Di Nei Ching“, übersetzt „Der Klassiker des Gelben Kaisers“.
Dieses Werk ist in Dialogform zwischen dem damaligen Kaiser und seinem Leibarzt verfasst. Für uns ist bereits die erste Frage dieses klassischen Textes von besonderem Interesse: „Kipa (der Leibarzt), sag mir bitte, warum die Menschen heutzutage so schnell und oft krank werden.“ Kipa antwortet: „Die Menschen ernähren sich schlecht, arbeiten zu viel und haben zu wenig Zeit für sich.“ Dieser Dialog hat bereits 2500 v.Chr., also vor über 4500 Jahren stattgefunden!
Zum System der Chinesischen Medizin:
Wichtig für unser Verständnis ist das Wissen um die 5 Wandlungsphasen, im Westen bekannt als die 5 Elemente. Jedem dieser Elemente wird ein Geschmack zugeordnet. Darauf werde ich später eingehen.
Ein Leitspruch der Chinesischen Medizin besagt, dass es nichts gibt, was bezüglich der Ernährung für alle Menschen verboten oder besonders gesund wäre. Immer wird die Konstitution des Menschen in die Beratung mit einbezogen. Was für einen Menschen gut ist, ist es für einen anderen Menschen möglicherweise von Nachteil. So ist z.B. die Aussage, dass Milch besonders gut oder schlecht für Kinder ist, oder dass jeder drei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen soll, aus Sicht der TCM absurd. Für jeden Menschen gelten andere Ernährungsrichtlinien.
Ein chinesischer Arzt erhebt zunächst eine umfassende Anamnese seines Patienten (welche die im Westen bereits bekannte Zungen- und Pulsdiagnostik inkludiert) und befragt ihn nach Vorlieben und Abneigungen in bezug auf Nahrungsmittel, bevor er eine, auf den Patienten maßgeschneiderte Ernährungsempfehlung gibt.
Was bedeutet das Verdauungssystem aus chinesischer Sicht?
In der TCM wird davon ausgegangen, dass mit Hilfe des Organsystems „Milz-Magen“ die aufgenommenen Nahrungsmittel umgewandelt und danach resorbiert werden. Nur wenn dieses System korrekt arbeitet, ist der Körper in der Lage, die zugeführten Nährstoffe wirklich aufzunehmen. Hier sind wir am springenden Punkt in der Diätetik der chinesischen Medizin. Von essentieller Bedeutung für die Gesundheit eines Menschen ist ein gut funktionierendes Verdauungssystem.
Wir können uns dieses System wie einen Kessel vorstellen, unter welchem ein Feuer (dies entspricht dem „Agni“ in der Ayurvedischen Medizin) lodert. Nur wenn das Feuer gut brennt, können die Nahrungsmittel gut umgewandelt werden.
Bei einem gesunden Verdauungssystem fühlen sich die entsprechenden Personen nach Einnahme der Mahlzeiten gestärkt. Wenn andererseits zu wenig Hitze im Verdauungssystem vorhanden ist, kann die aufgenommene Nahrung nicht gut umgewandelt werden, was zwei Konsequenzen hat: der Patient fühlt sich müde, weil er nicht genug Energie aus der Nahrung aufnehmen kann, außerdem werden die nicht umgewandelten Nahrungsmittel im Körper abgelagert. In der Chinesischen Medizin wird dieses Phänomen als Feuchtigkeit- und Schleimproblematik bezeichnet; dies kann zu zahlreichen chronischen Erkrankungen führen, im Extremfall auch zu Krebs.
Zurück zu den Nahrungsmitteln:
In der Chinesischen Medizin werden Nahrungsmittel in Geschmäcker, thermische Wirkungen und Organsysteme eingeordnet.
Es gibt 5 Wandlungsphasen: Diese heißen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Jedem dieser 5 „Elemente“ sind zwei Organsysteme zugeordnet, immer ein Yin- und ein Yang-Organ. Sämtliche Prozesse, die im Körper ablaufen, werden mit Hilfe dieser zehn Organsysteme beschrieben.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der chinesische Begriff der Organe nicht den Organbegriffen der Westlichen Medizin entspricht. Als Beispiel sei die Leber erwähnt: In der Westlichen Medizin entspricht die Leber dem anatomischen Organ unter dem rechten Rippenbogen. In der Chinesischen Medizin steht die Leber für die Zirkulation der Energie im Körper sowie für Augen, Sehnen, Fingernägel, Blut usw.
Jedem der 5 Elemente wird ein Geschmack zugeordnet. So entspricht
- dem Holzelement der saure Geschmack,
- dem Feuerelement der bittere Geschmack,
- dem Erdelement der süße Geschmack,
- dem Metallelement der scharfe Geschmack und
- dem Wasserelement der salzige Geschmack.
Zu den einzelnen Geschmäckern:
Der saure Geschmack wirkt zusammenziehend. Beispiele sind Zitronen, Quitten, aber auch Sauerkraut und viele andere Südfrüchte. Saure Nahrungsmittel bewahren die Säfte und schließen die Poren. Man setzt Nahrungsmittel mit saurem Geschmack ein, um starkem Schwitzen entgegen zu wirken. Es gibt bei jedem Geschmack immer einen positiven sowie einen negativen Aspekt. Auf der negativen Seite bewirkt eine Überdosierung saurer Nahrungsmittel eine Stagnation im Körper und zehrt den Körper aus. Deswegen sollten Menschen, die zu Krämpfen neigen oder bereits an Kontrakturen leiden, keine sauren Sachen einnehmen.
Der bittere Geschmack:
Dieser wurde in der alten Naturheilkunde häufig eingesetzt. Beispiele sind Rhabarberwurzel, Enzianwurzel, Löwenzahn und viele andere Kräuter. Bitter wirkt entzündungshemmend, fiebersenkend und leitet toxische Prozesse aus. So wird dieser Geschmack bei zahlreichen Krankheitsbildern eingesetzt, wie z.B. bei Gallensteinen, hohem Blutdruck, Prostataentzündungen, juckenden Hauterkrankungen und vielen weiteren Entzündungen des Körpers. Je nach dem, welches Organ betroffen ist, werden spezielle Kräuter zur Anwendung kommen.
Der süße Geschmack:
Dieser wird dem Erdelement zugeordnet. In der Chinesischen Medizin zählen zu süßem Geschmack nicht nur Süßstoffe wie Zucker und Honig, sondern auch Trockenfrüchte, Nüsse, Samen, Kartoffeln, Süßreis sowie zahlreiche Getreidesorten, Kürbis und Karotten. Auch Fleisch und Geflügel werden dem süßen Geschmack zugeordnet.
Süß wirkt stärkend, d.h. süß ist der Geschmack, der eingesetzt wird, um den Körper aufzubauen, zu stärken und zu nähren. Dies entspricht dem positiven Aspekt. Aber Achtung: Ein Zuviel an Süß kann zu einer Ansammlung an Feuchtigkeit im Körper führen. Dies verlangsamt die Energieprozesse im Körper. Symptome können sein: Müdigkeit, Schweregefühl, Trägheit, Neigung zu Übergewicht, Pilzerkrankungen, Bindegewebsschwäche, Heuschnupfen usw.
Der scharfe Geschmack:
Scharfe Nahrungsmittel sind Zwiebel, Ingwer, Knoblauch, Pfeffer, Chili, aber auch Pfefferminztee. Die Chinesen beschreiben auch Reis und Hafer als scharf. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Unterschied der thermischen Wirkung zwischen scharfen und bitteren Geschmack: In der Chinesischen Medizin wird nicht nur der Geschmack, sondern auch eine thermische Zuordnung beschrieben. Dieser Aspekt setzt sich mit der Frage auseinander, wie sich Lebensmittel thermisch auf den Körper auswirken. Wärmen sie den Körper oder kühlen sie diesen ab? Scharfe Nahrungsmittel führen mit der Zeit zu einer Erwärmung des Körpers, im Gegensatz zum bitteren Geschmack. Die meisten bitteren Nahrungsmittel und speziell auch Kräuter sind kühlend, z.B. werden Tausendguldenkraut, Löwenzahn, aber auch Grüner Tee eingesetzt, um Hitze auszuleiten. Die thermischen Wirkungen werde ich später noch detaillierter erörtern.
Der salzige Geschmack:
Zu diesem zählen: neben den verschiedenen Salzen, Fisch, Schalen- und Krustentiere, Sojaprodukte und Algen. Die Wirkung des salzigen Geschmackes ist am schwierigsten zu verstehen, weil er ambivalente Eigenschaften aufweist. In manchen Büchern steht, er wirkt aufweichend. Andere Autoren behaupten, er sei austrocknend. Stellt sich die Frage, wer hat Recht? Die richtige Antwort lautet: beide Ansichten sind korrekt.
Anschaulich lässt sich dies an Hand von Glaubersalz erklären:
Nach Einnahme von Glaubersalz bindet dieses Feuchtigkeit im Darm, d.h. hier wirkt Glaubersalz aufweichend. Im Darm wird das Volumen erhöht. Die sich im Darm ansammelnde Feuchtigkeit führt zu einer Reduktion von Feuchtigkeit in anderen Körperregionen. Deswegen wird der salzige Geschmack sowohl als aufweichend, als auch als austrocknend bezeichnet. Salzige Nahrungsmittel werden eingesetzt, um Knoten aufzulösen, wie z.B. Schild- und Brustdrüsenknoten, Lipome, usw.
Soviel zu den unterschiedlichen Geschmäckern.
Nun zu den thermischen Wirkungen der Nahrungsmittel:
Es gibt in der TCM 5 thermische Wirkungen: heiß, warm, neutral, erfrischend und kalt. Diese thermischen Wirkungen beschreiben, wie Nahrungsmittel den Körper temperaturmäßig verändern. Nimmt ein Mensch ein großes Maß an kalten Nahrungsmitteln ein, wird er mit der Zeit Kältesymptome (wie Kälte-Unverträglichkeit, kalte Extremitäten, hellen Urin, unverdaute Nahrungsmitteln im Stuhl, Zunge, langsamer Puls) entwickeln, während ein Mensch, der viele heiße Nahrungsmittel zu sich nimmt, eher Hitzesymptome (wie Schweißausbrüche, Hitze-Unverträglichkeit, starker Geruch der Körpersekrete, Unruhe, rote Zunge, schneller Puls) aufweisen wird.
Wie können Sie nun diese Informationen zu Hause umsetzen?
Ziel der Chinesischen Medizin ist es, in die Mitte zu kommen und den Körper entsprechend zu harmonisieren. Leidet eine Person an Hitzesymptomen werden thermisch kühlende Nahrungsmittel verordnet. Bei Kältesymptomen wird eine thermisch warme Nahrung empfohlen; so wäre es dann z.B. besser, den Blattsalat zu kochen (dies lässt ihn thermisch wärmer werden) sowie mehr Getreide und Fleisch anstelle von Rohkost zu konsumieren.
Nun sind wir bei einem Geheimnis der Kochkunst angelangt. Je nach Zubereitungsart verändert sich die thermische Wirkung der Lebensmittel. Je länger und heißer die Nahrung gekocht wird, desto wärmender ist die Wirkung. Des Weiteren hat die Verwendung der Wassermenge eine Bedeutung: Je weniger Wasser verwendet wird, desto wärmender wird die Wirkung sei. So sind z.B. in Butter gedünstete Zucchini wärmer als in Wasser gekochte. Roh genossen sind sie natürlich am kühlendesten.
So ist es in China Aufgabe der Schwiegermütter, die Wöchnerin mit der zumindest zwölf Stunden lang gekochten Geflügelsuppe zu versorgen.
Wie bereits erwähnt, können Menschen, die nicht ein ausreichendes Maß an Wärme im Verdauungstrakt besitzen, Nahrungsmittel nicht gut umwandeln bzw. resorbieren. Dies hat ein Resorptionsproblem von Vitaminen, Spurenelementen, Mineralien usw. zur Folge.
Als Beispiel möchte ich die Eisenmangelanämie anführen. Bei vielen Menschen, die unter Eisenmangel leiden, liegt aus Sicht der Chinesischen Medizin eine Schwäche im Verdauungstrakt vor (entspricht dem chinesischen Terminus „Milz-Qi-Mangel“ bzw. „Milz-Yang-Mangel“). Dies hat zur Folge, dass das Eisen nicht ausreichend resorbiert werden kann. Wenn bei dieser Ausgangsposition dem Patienten Eisentabletten verschrieben werden, hat es keine Verbesserung der Grundsituation zur Folge. Ähnlich verhält es sich mit Vitaminen. Die Frage ist nicht, wie viele Vitamine dem Körper angeboten werden (in der Regel im Übermaß – auch bei gekochter Nahrung), sondern wie gut der Körper die angebotenen Vitamine resorbieren kann.
Damit habe ich bereits die Geschmäcker sowie die thermischen Wirkungen erläutert, abschließen möchte ich mit den Organzuordnungen:
Wie oben beschrieben, kann jedes Lebensmittel Organsystemen zugeordnet werden. Ich möchte dies an Hand von Beispielen erläutern:
Karotten werden der Milz und der Leber zugeordnet. Es wird gesagt, sie seien thermisch neutral bis leicht wärmend. Es wird ihnen ein süßer Geschmack zugeordnet, sie stärken das Leber-Blut und das Milz-Qi. Daher können sie therapeutisch bei einer Schwäche im Verdauungstrakt, bei allgemeiner Auszerrung des Körpers sowie einer Neigung zur Anämie eingesetzt werden.
Ein weiteres Beispiel sind Walnüsse: Sie wirken thermisch wärmend, sind vom Geschmack her süß sowie leicht bitter und werden der Lunge und der Niere zugeordnet. Therapeutisch werden sie zur Stärkung des Immunsystems, das dem Organsystem Lunge zugeordnet wird, empfohlen. Weiters werden Walnüsse bei einer Substanzschwäche eingesetzt. Die Substanz des Körpers wird dem Organsystem Niere zugeordnet. Entsprechende Symptome bei Substanzschwäche sind: Auszehrung des Körpers, Kurzatmigkeit, Nachtschweiß, Knochenschmerzen und Osteoporose, Verschlimmerung des Zustandsbildes bei Anstrengung sowie ein vorzeitig einsetzender Alterungsprozess.
Damit möchte ich mit meinen Ausführungen zu Ende kommen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen in der kurzen Zeit einen Einblick in die Weisheit des Denksystems der Traditionellen Chinesischen Medizin vermitteln.
Literaturempfehlungen
Ploberger, F. (2016)
Die Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin, 2. Auflage, Schiedlberg: Bacopa.
2. Auflage 2008, 196 Seiten
Ploberger, F. (2016)
Westliche Kräuter aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin, 9. überarbeitete Auflage, Schiedlberg: Bacopa.
2. Auflage 2008, 196 Seiten
Autor:
Dr. med. Florian Ploberger, B.Ac., MA
TCM-Arzt, Univ.-Lektor, Präsident der ÖAGTCM, Tibetologe, Fachbuchautor.
www.florianploberger.com
Stefan Müller-Gißler ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit in der Welt der Fachliteratur für alternative Medizin. Als Geschäftsführer des renommierten Verlags Müller & Steinicke hat er sich einen Namen gemacht, insbesondere durch sein Engagement und seine Expertise in Bereichen wie Homöopathie, Akupunktur und Impfen. Seine Karriere zeichnet sich durch eine tiefe Leidenschaft und ein umfassendes Wissen in diesen Fachgebieten aus.
Sein langjähriges Interesse und Engagement in diesen Bereichen geht über die reine Verlagsarbeit hinaus. Müller-Gißler ist bekannt für seine Teilnahme an Fachkonferenzen und Seminaren, wo er regelmäßig als Redner und Experte auftritt. Durch diesen Austausch mit Fachleuten und das ständige Verfolgen neuester Forschungsergebnisse hält er sich kontinuierlich auf dem Laufenden und integriert aktuelle Erkenntnisse in das Verlagsprogramm.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich Stefan Müller-Gißler auch in verschiedenen Fachverbänden und trägt so zur Weiterentwicklung und Verbreitung des Wissens in den Bereichen der alternativen Medizin bei. Sein Einfluss ist weitreichend und seine Arbeit hat wesentlich dazu beigetragen, das Verständnis und die Akzeptanz von Homöopathie, Akupunktur und Naturheilkunde zu fördern.
Insgesamt ist Stefan Müller-Gißler eine Schlüsselfigur in der Welt der alternativen Medizin. Sein Lebenswerk spiegelt seine Leidenschaft und sein Engagement für diese Fachgebiete wider und macht ihn zu einer respektierten und einflussreichen Persönlichkeit in diesem Bereich.