Was ist Pulsdiagnose und wie funktioniert sie?
Lesen Sie hier, wie der Puls gemessen wird und auf was man dabei achten sollte
Zunächst kennt man in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wesentlich mehr Pulse als in der westlichen Schulmedizin. Insgesamt werden 28 Pulse unterschieden.
Wie misst man den Puls in der TCM?
Zunächst findet man die Pulse an jeweils drei Stellen der Handgelenke. Folglich wird der Puls von distal (weiter von der Körpermitte) nach proximal (zum Rumpf hin) getastet. Infolgedessen liegt der Zeigefinger handgelenksnah und die linke Hand tastet am rechten Handgelenk und die rechte Hand am linken Handgelenk. Daraufhin wird mit der Fingerkuppe gemessen, nicht mit den Fingerspitzen. Dazu wird an jeder Stelle in drei verschiedenen Druckqualitäten (oberflächlich, mittel, tief) gepulst. Zunächst werden alle Finger gleichzeitig aufgelegt, danach misst jeder Finger einzeln die Pulse.
In der chinesischen Medizin bezeichnet man die Stellen, an denen der Puls gemessen wird, wie folgt:
• Cun befindet sich direkt an der Handgelenkswurzel, es misst der Zeigefinger
• Guan finden Sie neben dem Zeigefinger – es misst der Mittelfinger
• Chi finden Sie neben dem Mittelfinger, es misst der Ringfinger
Jede Hand spiegelt die Pulsqualität von drei Organen wider:
Bei der rechten Hand sind folgende Organe zu erspüren:
- Cun – Lunge
- Guan – Milz
- Chi – Nieren Yang
An der linken Hand sind folgende Organe zu ertasten:
- Cun – Herz
- Guan – Leber
- Chi – Niere-Yin
Was sagt die Pulsqualität aus?
Je nach Jahreszeit, Geschlecht, klimatischen Verhältnissen, Tageszeit und Nahrungsaufnahme variieren die Pulse ein wenig. Die normale Frequenz beträgt zwischen 60-80 Schläge pro Minute. Gleichermaßen wird bei der Pulstestung auch immer die Atemfrequenz mit berücksichtigt. Gegenwärtig wird pro Atemzug ein Pulsschlag von vier Zügen als „normal“ bezeichnet. Ferner können bei Hitze-Syndromen der Pulsschlag auf sieben bis acht Schläge pro Atemzug ansteigen.
Ein normaler Puls besitzt folgende Merkmale:
• Magen-Qi / Wei
• Geist / Shen
• Wurzel / Yin
Gleichermaßen werden diese drei Merkmale bei jeder Pulstestung und bei jeder Pulsposition bewertet!
Welche pathologischen Pulse gibt es?
• Oberflächlicher Puls (FU-MAI): bei äußeren Syndromen, kräftig bei akuten pathogenen Faktoren, bei geschwächten Abwehr-Qi oberflächlich, aber schwach. Wird in der Tiefe seichter
• Tiefer Puls (CHEN-MAI): Nur durch kräftiges Tasten spürbar. Bei Fülle sehr kräftig, bei Schwäche nur schwach zu spüren
• Langsamer Puls (CHI-MAI): Meist bei Kälte, Puls liegt bei 60 Schlägen pro Minute. Bei Fülle Kälte langsamer kräftiger Puls, bei einer Abwehrschwäche ein langsamer, schwacher Puls
• Beschleunigter Puls (SHUO- MAI): Der Puls liegt bei über 90 Schlägen pro Minute. Bei Fülle-Syndromen ein schneller kräftiger Puls, bei einer Leere-Symptomatik schnell, aber schwach
• Leerer Puls (XU-MAI): Der Puls ist an allen drei Taststellen leer; meist liegt hier eine Qi-und Blut-Schwäche vor
• Voller-Puls (SHI-MAI): An allen drei Pulsstellen voll
Hier weitere Pulsmuster:
• Schlüpfriger Puls (HUA-MAI): Der Puls fühlt sich an, als ob eine Kugel oder Perle drunter läge. Meist bei Nahrungsstagnation, Schleim-Syndromen oder Fülle-Hitze, auch bei Schwangerschaften
• Rauher Puls (SE-MAI): Der Puls kratzt und schabt, meist bei Qi-, Blut-, Nahrungs-Stagnation oder Schleimsyndromen
• Überflutender Puls (HONG-MAI): Der Puls steigt stark an und fällt schnell wieder ab, breites Pulsspektrum, meist bei einem Überschuß an Hitze
• Fadenförmiger Puls (XI-MAI): Der Puls ist so dünn wie ein Faden, das Spektrum sehr schmal, aber tastbar. Meist bei Leere-Syndromen
• Nachgiebiger Puls ( RU-MAI): Hier ist der Puls eher oberflächlich und dünn. In der Cun-Position deutlich in der Chi-Position schlechter tastbar. Meist bei Leere- und Feuchtigkeits-Syndromen zu finden
• Saitenförmiger Puls (Xuan-Mai): Der Puls fühlt sie wie eine Gitarrensaite an, meist bei Schmerz-Syndromen und Leber-Gallenerkrankungen zu finden
• Gespannter Puls (Jin-Mai): Der Puls fühlt sich wie ein gespanntes Seil an, der Tonus ist noch deutlich stärker als beim saitenförmigen Puls. Meist bei Kälte-und Schmerz-Syndromen
• Abrupter Puls (CU-Mai): Hier zeigt der Puls unregelmäßige Aussetzer. Meist bei Fülle-Hitze und Schleim-Syndromen zu finden
Weitere Pulsmuster sind:
• Rauer Puls (JIE-Mai): Der Puls ist langsam mit unregelmäßigen Aussetzern
• Regulär intermittierender Puls (DAI-MAI): Der Puls ist langsam, er hat regelmäßige Aussetzer. Insgesamt ist er kraftlos
• Rasender Puls (JI-MAI): Der Puls ist sehr schnell, meist bei Yin- oder Yang-Kollaps
• Kraftloser Puls (WEI-MAI): Hier ist der Puls sehr dünn und sanft. Er kann nur sehr schwer ertastet werden. Meist Schwäche des Yin und Yangs mit Qi- und Blut-Mangel gepaart
• Zerstreuter Puls (SAN-MAI): Arrythmischer Puls, sehr kraftlos keine Chi-Position zu spüren, bei schweren Erkrankungen
• Langer Puls (CHANG-MAI): Der Puls ist beim Betasten lang und stark
• Kurzer Puls (DUAN-MAI): Der Puls geht meist nicht über die Guan-Position hinaus, eher kraftlos, meist bei Qi-Schwäche
• Rohr-Puls (KOU-MAI): Der Puls ist groß und oberflächlich, er fühlt sich an als ob ein Rohr betastet wird
• Behäbiger Puls (HUAN-MAI): Der Puls besitzt eine normale Frequenz, dennoch wirkt er eher schwach, meist bei Nässe und Schwäche der Mitte zu finden
Außerdem:
• Trommel-Puls (GE-MAI): Der Puls ist oberflächlich und fühlt sich an als ob er vibriert
• Massiver Puls (LAO-MAI): Der Puls ist lang, groß und ein wenig saitenförmig. Meist bei Fülle-Kälte zu finden
• Weicher Puls (RUO-MAI): Hier ist der Puls sehr weich und fadenförmig, häufig bei Qi-und Blut-Mangel zu finden
• Versteckter Puls ( FU-MAI): Hier spürt man den Puls nur bei sehr tiefen Tasten. Es muss bis zum Knochen palpiert (gedrückt) werden, besonders, wenn Gefäße blockiert sind oder bei Schmerz-Syndromen.
• Bohnenförmiger Puls (DONG-MAI): Der Puls ist kräftig und schnell. Gleichermaßen fühlt er sich an, also ob man über eine Bohne rutscht. Meist bei Schmerzsyndromen oder Blockaden von Yin und Yang zu finden.
Nachfolgend weitere Literatur zum Thema Pulsdiagnostik finden Sie >>hier
Heping Yuan Pulsdiagnose: Chinesische Pulsdiagnostik, mit guter visueller Beschreibung der Pulse
Pulsdiagnose in der Chinesischen und Ayurvedischen Medizin / Ploberger
Pulsdiagnose in der chinesischen Medizin – Buch & DVD / Krokowski, Nögel mit visueller und akustischer Darstellung der Pulse
Nichtsdestotrotz ist ein wichtiger Aspekt der Pulsdiagnose, dass diese immer nur eine Momentaufnahme darstellt und sich je nach Lebenssituation, Ernährungszustand und äußeren Begebenheiten schnell verändert.
Stefan Müller-Gißler ist Geschäftsführer des Verlages Müller & Steinicke, einem Spezialverlag für Homöopathie, Akupunktur und Impfen und langjähriger Mitarbeiter in der eigenen Fachbuchhandlung für Akupuntur, Homöopathie und Naturheilkunde. Durch sein langjähriges Interesse konnte ich mir umfangreiches Wissen aus diesen Bereichen aneignen.