Behandlungsbeispiel, wie die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bei Reizdarm, Sodbrennen, chronischer Colitis und Verdauungsbeschwerden helfen kann
Die Traditionelle Chinesische Medizin kann die Beschwerden einer Vielzahl von Verdauungsbeschwerden, Reizmagen, Sodbrennen, leichten Durchfall bis hin zur chronischen Colitis lindern oder beseitigen. Durch einen umfassenden Blick auf die vielfältigen Ursachen und im Speziellen der „Mitte“ des Körpers, dem Bauch, wird nach Abwägung der verschiedensten Behandlungsmöglichkeiten eine ganzheitliche Lösung erreicht.
Praxisbeispiel: Eine Patientin mit Bauchweh und Durchfall
Eine 30jährige Patientin kam mit seit mehreren Jahren immer wieder auf-tretenden, sehr quälenden Bauchschmerzen, begleitet von Durchfällen, in die Praxis. Sie berichtete, dass seit wenigen Wochen, nach einer Ägyptenreise, die Beschwerden wieder sehr viel schlimmer geworden seien. Außerdem würde sie seit langer Zeit sehr auf Hygiene achten. Sie hatte den Verdacht, dass sie auf einige Nahrungsmittel allergisch reagiere oder diese zumindest schwer vertrage. Dies würde ihre Ernährung sehr erschweren. Die Patientin lebt seit langem vegetarisch.
Die Patientin war sehr schlank, fit und sportlich aktiv (sie ist Yoga- und Tauchlehrerin). Ihr Bauch war auffällig gebläht, bei Abtastung zwar weich, aber doch an manchen Stellen bei Druck leicht schmerzhaft! Die Bauchschmerzen waren eher ziehend, selten krampfartig und kamen und gingen besonders nach fetten und kalorienreichen Mahlzeiten. Aktuell habe sie breiigen Durchfall. Ansonsten war der Darm träge und manchmal kam weicher Stuhlgang, Schleim oder gar Blut. Wegen des akuten Durchfalls wurde zuerst eine Stuhlprobe untersucht, um pathogene Keime wie Salmonellen auszuschließen.
Kombination von westlicher und chinesischer Medizin
Parallel zur chinesischen Diagnose und Behandlung wurde besprochen, dass man auch aus Sicht der westlichen Medizin bestimmte Krankheiten finden bzw. ausschließen müsse: Durch eine Magenspiegelung konnten schwerwiegende Störungen wie Gluten-Unverträglichkeit, schwere Mängel an Verdauungsenzymen und andere Ursache ausgeschlossen werden. Eine Unverträglichkeit für Laktose (Milchzucker), Fructose (Fruchtzucker) oder Histamin wurde nicht bestätigt, auch für andere Nahrungsmittelallergien fanden sich keine eindeutigen Beweise.
Verdauungsorgane aus Sicht der TCM
Der Bauch, bzw. die Verdauungsorgane, spielen in der TCM, wie auch in der ganzen chinesischen Lebens- und Esskultur, eine entscheidende Rolle. Das bezeichnen die Chinesen auch mit der Aussage, die „Mitte“ zu stärken. Die Aufgabe der Mitte ist es, durch gutes Essen und für eine gute Verdauung zu sorgen. Von ihr kommt die Kraft für den anstehenden Tag. Hier wird das „Qi“ (die Lebensenergie) der „Mitte“ aus der Nahrung aufgenommen und dem Körper als Kraft für alle anderen Organe und Muskeln bereitgestellt. Im Idealfall wird auch alles, was zu viel ist oder der Körper nicht aufnehmen sollte, wieder störungsfrei ausgeschieden. Die Chinesen bezeichnen das als „das Klare vom Trüben scheiden“ – eine der Hauptaufgaben der Mitte.
Stärkung der Mitte
Es ist wichtig, die energetische Situation des Bauchorgane (der „Mitte“) zu beurteilen: Ist die „Mitte“ durch eine konstitutionelle Schwäche, durch eine falsche Ernährung oder durch einen Mangel geschwächt, muss man mit einer Wärmung der „Mitte“, durch wärmende Gewürze wie Kardamon, Ingwer und Sichuan-Pfeffer eine Besserung erreichen. Die Nahrung muss sowohl leicht aber auch kräftigend sein. Dies erreicht man zum Beispiel Hühnersuppen mit Ingwer und Ginseng als Unterstützung.
Kräuter gegen Entzündungen im Magen
Vielleicht aber blockiert auch ein „krankmachender Faktor“ den Bauch und löst den Durchfall aus. Hier hatten die chinesischen Ärzte schon in der Antike eine sehr differenziertes Verständnis, das „Pathogene“ (wir würden das modern „Entzündung“ nennen) den Darm schädigen.
Das Besondere an der TCM: Es gab und gibt eine große Zahl hochwirksamer Arzneikräuter mit Bitterstoffen, die bei Entzündungen helfen und die Schleimhaut wieder heilen. Diese Kräuter werden als Mischung zusammen abgekocht und als Heiltee („Dekokt“) getrunken – oft mit raschem Erfolg.
Harmonie durch TCM im ganzen Körper
Modern wird das „Bauchhirn“ immer stärker in seiner Bedeutung erkannt. Denn die „Mitte“ verkörpert das vegetative Nervensystem, das unsere Verdauung und andere wichtige Körperfunktionen lenkt. Hier spielt auch die Psychosomatik eine Rolle. Die Chinesen hatten schon vor langer Zeit beschrieben, wie blockierte Emotionen die „Mitte“ lähmen und Schmerzen und andere Beschwerden erzeugen. Das harmonische Fließen der Energien (des „Qi“) ist das Ziel. Die Harmonie kann durch bestimmte Akupunkturpunkte am Körper gelöst und reguliert werden. Auch Bauchmassagen und die chinesische Massage Tuina können helfen. Besonders wichtig ist aber auch hier die chinesische Arzneitherapie (chinesische Kräuter) und natürlich eine „harmonische Ernährung“ (chinesische Diätetik).
Diagnosemöglichkeiten der TCM bei Bauchbeschwerden
Aufgrund der Komplexität der Bauchorgane und der Vielzahl an möglichen Störungen und Beschwerdebilder ist es besonders wichtig, dass ein erfahrener Arzt die genaue chinesische Diagnose stellt. Dazu muss er neben der genauen Anamnese des Bauchbefundes und der Bewertung der westlichen Testergebnisse mittels der Pulsdiagnose den Puls des Patienten an der Daumen-Arterie ausführlich untersuchen. Mit viel Erfahrung lassen sich über 30 Pulsarten unterscheiden und so funktionelle Störungen und Krankheiten erkennen.
Zusätzlich ist die Diagnose der Zunge wichtig. Farbe, Form und Belag der Zunge zeigen den energetischen Zustand des Patienten, insbesondere auch der Bauchorgane und können so Auskunft über den Verlauf und den Therapieerfolg geben.
TCM-Therapie bei Magen-Darm-Beschwerden
Nach der individuellen chinesischen Diagnose werden dann die Arznei-Tees zusammengestellt, die bei allen Magen-Darm-Beschwerden wegen ihrer Vielfalt und Wirksamkeit ein zentraler Baustein der Therapie sind. Aus diesem Grund werden warm und verdünnt zu den Mahlzeiten getrunken. Nach einer kurzen Gewöhnungsphase finden die meisten Patienten diese Arzneiabkochungen sogar sehr angenehm. Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten sind ausgesprochen selten. Wichtig ist es, diese Tees bei hiesigen Apotheken und nicht irgendwo im Internet zu kaufen. Denn nur dann sind diese sicher und rein. Hierzulande sind die Kontrollen sehr gut umfassend. Genauere Infos zur Therapiesicherheit finden Sie unter: www.ctca.de: Das Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA) erforscht und dokumentiert seriös seit mehr als 15 Jahren die Sicherheit der chinesischen Arzneitherapie.
Dauer der TCM-Behandlung
Häufig ist auch eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten wichtig. Mit Akupunktur lassen sich Schmerzen im Verdauungsbereich besonders schnell bekämpfen, da die Behandlung den Bauch wärmt und entspannt. Abhängig von der Dauer und natürlich auch der Schwere der Beschwerden muss man einige Wochen bis Monate behandeln, um einen dauerhaften Erfolg zu erreichen.
Bei welchen Bauchproblemen hilft die TCM?
Auf Grund der großen Erfahrung kann die TCM bei einer Vielzahl von Beschwerden und Krankheiten, wie z.B. bei akuten Durchfällen, aber auch bei chronischer Colitis und Morbus Crohn gut helfen. Dr. Hummelsberger hat zusammen mit anderen Kollegen ein klinisches Handbuch verfasst: „Behandlung von Colitis und Morbus Crohn“; Praxisreihe TCM Band 1, Müller & Steinicke Verlag München, 2011.
TCM hilft bei Reizdarmsyndrom und Nahrungsmittelallergien
Wissenschaftlich bewiesen ist die Wirkung der TCM beim sogenannten Reizdarmsyndrom. Die TCM hilft auch bei Nahrungsmittelallergien und leaky gut-Syndrom, bei Reizmagen, Reflux und allgemeiner Verdauungsschwäche – wie das bei Kindern oder nach langen Krankheiten auftritt. Ist die „Harmonie wieder hergestellt, arbeitet die Verdauung regelmäßig und der Appetit ist wieder vorhanden, dann ist auch die „Mitte“ wieder hergestellt. Der Mensch fühlt sich voller Energie und seine ganzen anderen Lebensfunktionen erwachen zu neuer Vitalität.
Wie ging es bei der Patientin weiter?
Wie oben geschildert war aus Sicht der westlichen Medizin keine klare Ursache zu finden, damit auch keine wirklich effektive Behandlung möglich.
Bereits schon morgens war bei der Patientin die Zunge schon morgens dick und weiß belegt. Demzufolge klagte sie über einen faden Mundgeschmack. Die Zunge selbst war etwas heller gefärbt als normal und die Ränder der Zunge wirkten aufgequollen wie Schwimmreifen. Alles Zeichen dafür, dass sich in der „Mitte“ (im Funktionskreis Milz & Magen) das Pathogen „Feuchtigkeit“ festsetzen konnte. Dieses Zuviel an allem, an Feuchtigkeit und falscher Nahrung, überforderte die „Mitte“ und führte zu Durchfällen, Blähungen und Unwohlsein.
Neben den von den Reisen mitgebrachten Pathogenen spielte die „falsche Ernährung“ hier eine große Rolle. Für die Patientin war Rohkost zu schwer verdaulich. Leicht gedünstetes, im Wok zubereitetes Essen und dazu die Hilfe der wärmenden Gewürze brachten dann die Besserung.
Entscheidend war aber die Kräutermischung mit chinesischen Kräutern
Besonders Atractylodis rhizoma (cangzhu) und Atractylodis macro. rhizoma (baizhu) helfen der „Mitte“ und wärmen sie. Vor allem wandeln sie durch die scharfen und bitteren Inhaltsstoffe das Zuviel an allem um und trocknen so die Feuchtigkeit. Meistens bestehen diese bewährten, klassischen chinesischen Rezepturen aus 8-10 Einzelkräutern. Ein weiteres wichtiges Kraut war Paeonia lact. radix (baishao), die Pfingstrosenwurzel. Es entkrampft den Darm und stillt so das Bauchweh.
Demzufolge waren die gequollenen Zungenränder bei dieser Patientin das Indiz, dass die Patientin doch chronisch sehr angespannt war – das war wir heute Stress nennen, war ein wichtiger Faktor für die lange Dauer der Krankheit. Paeonia lact. radix (baishao) löst auch hier besonders gut. Poria (fuling) ist ein chinesischer Heilpilz. Er fördert die Wasserausscheidung, stützt die „Mitte“ und wirkt zusätzlich beruhigend.
Zusätzlich wurde die Patientin einmal pro Woche mit Akupunktur behandelt. Durch gezielte Nadelung von meist 10-15 Punkten kann der Darm entkrampft werden. Die Patienten fühlen sich rasch wohler und voller Energie. Ein wichtiger Punkt für den Darm ist der Punkt „Magen 25“, chinesisch wird er die „Himmelsangel“ genannt. Er liegt 2 Querfinger neben dem Bauchnabel, löst und wärmt die „Mitte“ und besonders den Darm. Nach 20-30 Minuten spüren die Patienten oft schon eine deutliche Entspannung, auch bei vorher heftigen Krämpfen.
Die Behandlung mit den Arzneikräutern und regelmäßiger Akupunktur zur Entspannung wurde über 3 Monate durchgeführt. Der Patientin ging es immer besser und war fast gänzlich beschwerdefrei. Nach einem ausführlichen Abschlussgespräch und Ernährungsratschlägen wurde die Behandlung erfolgreich beendet.
Für Patienten geeignete Literatur:
Noll, A.
Verdauungs-Ratgeber Traditionelle Chinesische Medizin
Dr. Josef Hummelsberger ist Facharzt für Innere Medizin, Akupunktur und Naturheilverfahren. Nach langjähriger Arbeit in der Praxis von Hempen & Kollegen ist er seit einigen Jahren in eigener Praxis tätig. Der Autor zahlreicher Publikationen ist der derzeit Vizepräsident und war von 2002-2008 Präsident der intern. Ärztegesellschaft SMS. Info unter: http://www.hummelsberger.net