Woher kommt Tuina
Die Geschichte des Reiches der Mitte – eines Gebietes mit der Ausdehnung Europas – erstreckt sich über mehr als viertausend Jahre. Aus der Zeit der Shang-Dynastie (16.–11. Jh. v. Chr.) ist bekannt, dass ein wesentlicher Teil des kulturellen Lebens in der Orakelbefragung bestand; die Herrscher führten sie nicht nur in politischen Krisen zur Entscheidungshilfe durch, sondern auch im Falle von Krankheit. Zu den ältesten Therapiemethoden gehören – so zeigen Orakelknochen – die Arzneimittel und die Akupunktur, deren Ursprung laut dem Historiker Sima Qian (ca. 145 v. Chr.) anhand sog. Steinnadeln in die Neusteinzeit datiert werden kann.
Der gelbe Kaiser und Tuina
Das älteste grundlegende Werk zur chinesischen Medizin, der »Innere Klassiker des Gelben Kaisers« (Huangdi neijing), wurde im 1. Jh. v. Chr. begonnen – zur frühen Han-Zeit, die als erste Phase eines geeinten China gilt. In Frage-und-Antwort-Form werden darin hauptsächlich theoretische Grundlagen der Medizin und die Praxis der Akupunktur abgehandelt. Schon in diesem Werk findet man Hinweise darauf, dass die damals noch als anmo bezeichnete chinesische Massage (an bedeutet »mit der Hand pressen«, mo »reiben«) zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung eingesetzt wurde. Weiterhin wurde der chinesischen Massage aber auch die Funktion zugesprochen, den Fluss der Lebensenergie Qi von Blockaden zu befreien. Im ältesten überlieferten Fallbeispiel heißt es von dem Arzt Bian Que, er habe mit dem Einsatz von Akupunktur und Massage dem sterbenden Kronprinzen von Zhou das Leben retten können.
In verschiedenen Schriften zur TCM aus den folgenden Epochen werden – etwa durch den Daoisten Ge Hong (281–341 n. Chr.) – Massage-Klassiker erwähnt, die jedoch nicht erhalten sind.
Bei dem großen Tang-zeitlichen Arzt Sun Simo (582–681 n. Chr.) schließlich findet man die ersten Anleitungen zur Massage. In seinen »Rezepturen, die tausend Goldstücke wert sind« (Qianjin fang) hat Sun Simo für fast ein Dutzend Kindererkrankungen wie Krämpfe, behinderte Nasenatmung, nächtliches Weinen oder Blähungen, Anleitungen zur Massage mit speziellen Salben gegeben. Er empfahl, Kinder zur Krankheitsvorbeugung besonders gegen »Kälte-« und »Wind-« Erkrankungen zu behandeln, indem man mit Handflächen und -rücken ihre »Mitte« erwärmt.
Als das chinesische Kaiserreich in der Tang-Zeit wieder geeint war und seine Grenzen bis weit in den Südosten Asiens ausdehnte, erfuhren der wirtschaftliche und kulturelle Bereich einen großen Aufschwung. Zur Bewältigung der damit verbundenen Kontrollaufgaben hat man am Kaiserhof ein kompliziertes Verwaltungssystem etabliert und die Beamtenprüfungen eingeführt. Diese Neuerungen brachten auch eine Verbesserung der medizinischen Lehre mit sich: In China findet sich weltweit das früheste Beispiel einer staatlich kontrollierten medizinischen Ausbildung. Das kaiserliche »Medizinalamt« war in vier Sektoren unterteilt: Arzneimittel, Akupunktur, Exorzismus und Massage. Damit war die Massage als Disziplin definiert, ihre Ausbildung wurde festgelegt und staatlich überprüft, und das Prüfsystem ähnelte dem der bis ins 20. Jahrhundert bestehenden staatlichen Beamtenprüfungen.
Die folgenden fünf Jahrhunderte der Song-, Jin- und Yuan-Dynastien – hinter letzteren verbergen sich Epochen der Fremdherrschaft durch die nordöstlich angrenzenden Mongolen – sind gekennzeichnet durch beträchtliche Fortschritte in Wissenschaft und Technik, besonders der Astronomie, der Mathematik, der Papierherstellung und des Buchdrucks. Der Austausch mit den anderen Ländern Asiens wurde intensiviert. Der damit einhergehende wirtschaftliche Aufschwung ermöglichte eine Weiterentwicklung wie auch eine Reformierung in allen wissenschaftlichen Bereichen, so auch der TCM. Besonders die neuen Methoden des Buchdruckes erlaubten eine weitere Verbreitung des Wissens in allen Bereichen der Medizin. Zahlreiche Werke aus dieser Zeit beschreiben eine Massage, die in Diagnose und Therapie bereits nach den TCM-Prinzipien differenziert. Neben äußeren Verletzungen wurden auch innere Erkrankungen und Frauenkrankheiten behandelt. Ein besonders eindrückliches Beispiel für die Wirksamkeit der Massage jener Zeit liefert eine Krankenakte, der zufolge Pang Anshi zu einer Schwangeren gerufen wurde, die bereits seit sieben Wochen in Wehen lag. Indem der Arzt den Rücken und dann den ganzen Körper der Patientin durch Massage erwärmte und entspannte, konnte er die Geburt eines gesunden Sohnes einleiten. Ebenfalls in dieser Epoche wurden Manipulationstechniken entwickelt, mithilfe derer durch Schweißinduktion durch Öffnen und Schließen der Poren die sog. »sechs klimatischen Exzesse« (liuyin), also die äußeren Krankheiten auslösenden Faktoren, ausgetrieben wurden. Manche Techniken trugen bereits damals die bis heute gebräuchlichen Bezeichnungen wie rou – »kneten«.
Der heutige Fachausdruck für die spezielle Form der chinesischen manuellen Technik Tuina aus tui – »schieben« und na – »greifen, fassen« wurde in der Ming-Dynastie (1368–1644 n. Chr.) formuliert und als Prüfungsfach »Tuina« an der Kaiserlichen Medizinschule eingeführt.
Kinder-Tuina
Besonders die Weiterentwicklung der Tuina-Massage für Kinder fällt in diese Epoche. Mit den teilweise schmerzhaften, kraftvoll ausgeführten Techniken der Tuina für Erwachsene, mit denen auf die Leitbahnen für Qi und Xue eingewirkt wird, konnten Kinder nicht behandelt werden, u.a. weil bei Kindern das Leitbahnsystem noch nicht ausgereift ist. Aus einer Fülle Ming-zeitlicher Literatur zur Kinder-Tuina stellen die »Geheimen Botschaften der Kinder-Tuina-Massage« (Xiao’er tuina mizhi) von Zhou Yufan ein herausragendes Werk dar. Es enthält ein fünfzehn-Schritte-Programm zur Untersuchung kranker Kinder, in dem ausführlich zwölf Körperregionen beschrieben und diskutiert werden, die bei Kindererkrankungen aussagekräftige Hinweise liefern können. Gong Tingxian beschrieb 1605 n. Chr. im »Geheimen Vermächtnis der Tuina- Massage bei Kindern« (Xiao’er tuina mijue) die Tuina der Kinderhand als Therapie bei Allgemeinerkrankungen.
Seit der Ming-Zeit war Tuina nicht nur dem Kaiser und seinem Hof, sondern auch dem Volk zugänglich.
Als in der Qing-Dynastie (1644-1911 n. Chr.) Tuina als ungeeignet für den verfeinerten Geschmack und für die Behandlung der Kaiserlichen Familie befunden und am Kaiserlichen Hof sowie an den Medizinschulen abgeschafft wurde, führte das Volk diese Kunst dennoch weiter. Auch weitere Fachliteratur wurde verfasst. Die wichtigsten Neuerungen stehen in Zusammenhang mit einer Weiterentwicklung und Popularisierung der chinesischen Kampfkünste (wushu) und den damit einher gehenden Muskelverletzungen und Knochenbrüchen: Eine medizinische Enzyklopädie dieser Zeit nennt zum ersten Mal die »Acht Methoden bei Knochenbrüchen «.
Die verlustreichen Erfahrungen vor allem der technischen Unterlegenheit, die das Reich der Mitte im 19. Jahrhundert durch ihre Begegnungen mit dem Westen in den Opiumkriegen machte, erschütterten das chinesische Selbstvertrauen schwer. Auch das Vertrauen gehobener sozialer Schichten in die Errungenschaften ihrer eigenen Kultur schwand und im Gefolge sank bis zur zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts das Ansehen der TCM als originärer chinesischer Wissenschaft stetig. Sie wurde nach einem Kongressbeschluss der Guomindang-Regierung 1929 sogar verboten, denn sie sollte der Entwicklung eines modernen Chinas nicht im Wege stehen.
Abgesehen von kleinen Modifikationen z. B. der »Roll-« Techniken oder des »Ein-Finger-Zen-Pressens« stagnierte auch die Entwicklung der Tuina. Zusammen mit den anderen Therapiesäulen der TCM wurde sie nach Gründung der Volksrepublik wieder rehabilitiert. Ihr Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wurde von neuem erkannt und das noch vorhandene Wissen wurde systematisch wieder gesammelt. Überall in der Volksrepublik wird die Tuina heute in Krankenhäusern praktiziert und an medizinischen Hochschulen als Spezialgebiet gelehrt und erforscht. Nach einem fünfjährigen Grundstudium der westlichen und der Traditionellen Chinesischen Medizin spezialisieren sich Tuina-Ärzte in einem weiteren dreijährigen Ausbildungsabschnitt. Tuina genießt wieder großes Vertrauen und hohes Ansehen bei den Patienten als Therapiemethode für ein breites Spektrum von Krankheiten, vorrangig des Bewegungsapparates.
Stefan Müller-Gißler ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit in der Welt der Fachliteratur für alternative Medizin. Als Geschäftsführer des renommierten Verlags Müller & Steinicke hat er sich einen Namen gemacht, insbesondere durch sein Engagement und seine Expertise in Bereichen wie Homöopathie, Akupunktur und Impfen. Seine Karriere zeichnet sich durch eine tiefe Leidenschaft und ein umfassendes Wissen in diesen Fachgebieten aus.
Sein langjähriges Interesse und Engagement in diesen Bereichen geht über die reine Verlagsarbeit hinaus. Müller-Gißler ist bekannt für seine Teilnahme an Fachkonferenzen und Seminaren, wo er regelmäßig als Redner und Experte auftritt. Durch diesen Austausch mit Fachleuten und das ständige Verfolgen neuester Forschungsergebnisse hält er sich kontinuierlich auf dem Laufenden und integriert aktuelle Erkenntnisse in das Verlagsprogramm.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich Stefan Müller-Gißler auch in verschiedenen Fachverbänden und trägt so zur Weiterentwicklung und Verbreitung des Wissens in den Bereichen der alternativen Medizin bei. Sein Einfluss ist weitreichend und seine Arbeit hat wesentlich dazu beigetragen, das Verständnis und die Akzeptanz von Homöopathie, Akupunktur und Naturheilkunde zu fördern.
Insgesamt ist Stefan Müller-Gißler eine Schlüsselfigur in der Welt der alternativen Medizin. Sein Lebenswerk spiegelt seine Leidenschaft und sein Engagement für diese Fachgebiete wider und macht ihn zu einer respektierten und einflussreichen Persönlichkeit in diesem Bereich.