Fortsetzungsgeschichte zur Verdauung
Von Birgit Bonin
Hier der Link zu Teil 1 der humorvollen Reise der Organe: Die Leber will verreisen (Teil 1)
Hier der Link zu Teil 2 der humorvollen Reise der Organe: Die Milz grübelt (Teil 2)
Die Lunge will endlich frei sein (Teil 3)
Die Lunge wollte endlich frei sein. Sie wollte wirklich endlich frei sein, frei von all diesem zähen, klebrigen, lästigen Schleim, der sich überall in ihren Gängen, ihren Bronchien und deren weiteren Verzweigungen bis tief hinein in ihre kleinen kostbaren Lungenbläschen hartnäckig festgesetzt hatte. Alles Husten und Schnauben nützte nichts mehr. Der Schleim verweilte stur, wie er war, und bewegte sich nicht. Hinzu kam, dass sich überall dort diese vielen kleinen, schädlichen Bakterien niedergelassen hatten und an dem Schleim genüsslich taten, was dazu führte, dass sie sich prächtig vermehrten. Das war einfach nur unverschämt! Wirklich! Bei all diesem vielen lästigen Schleim konnte die Lunge überhaupt nicht mehr klar denken, geschweige denn vernünftig ausatmen und Sauerstoff einatmen. Außerdem musste sie bei jeder Gelegenheit husten, was aber nicht wirklich dazu führte, dass der Schleim hinausflog, geschweige denn, diese Bakterien verschwanden.
Die Lunge seufzte tief.
Das kam natürlich auch noch hinzu. Diese Traurigkeit und Mutlosigkeit. Weil sie also frei sein wollte, die Lunge, endlich wieder richtig frei, entschied sie sich, zusammen mit den anderen inneren Organen auf den Weg zu machen. Verreisen, so dachte sie bei sich, einen Ortswechsel vornehmen, in Bewegung kommen, das brachte doch immer unmittelbare Veränderungen mit sich, und Veränderungen brauchte sie dringend! Und neue Ideen, wie es weitergehen sollte.
Als sie alle gemeinsam schließlich am „Restaurant für Innere Organe“ ankamen, war es stockdunkel. Allein das warme, weiche und anschmiegsame Licht des Vollmondes hatte sie eine weite Strecke ihres Weges hindurch treu begleitet und dadurch verhindert, dass sie beständig über Stock und Stein fielen. Jetzt blickte eben dieses Licht still auf das bescheidene, kleine Schild, welches unauffällig links neben einer großen Holztür hing. Die Tür, die sie in Räume führen sollte, in deren ganz eigenem Leben und Wirken ihre große Hoffnung ruhte.
Ach, dachte die Lunge, wenn doch meine Lungenbläschen einmal wieder so schimmern würden,
wie dieses zarte Licht des Vollmondes, silbrig und glänzend! Dann würde bestimmt auch diese lästige Traurigkeit verschwinden.
Jetzt aber stand sie zunächst einmal gemeinsam mit den anderen vor der großen Holztür. Leider wussten sie überhaupt nicht, wie sie hereinkommen sollten. Es war schließlich mitten in der Nacht. Da ging man nicht so einfach in ein fremdes Haus hinein. Noch dazu ohne Anmeldung! Die Lunge entdeckte das Glöckchen als erste. Es hing rechts neben der Tür und schimmerte wie kostbares Gold im Mondlicht. Ohne zu zögern, und bevor die anderen überhaupt etwas sagen konnten, hatte die Lunge das Glöckchen zart mit ihrem rechten großen Lungenflügel berührt. Zum Glück musste sie dabei nicht wieder husten.
Plötzlich war alles ganz still.
Nur der Klang des Glöckchens tönte tatsächlich wie zartes Gold und verzauberte die kühle Nachtluft. Leise öffnete sich da wie von Zauberhand die große Holztür. Die Inneren Organe traten ohne zu zögern ein. Es war, als habe ein geheimer Dirigent die Führung übernommen. Es bedurfte nicht einmal mehr der kleinsten Absprache zwischen ihnen.
Der Weg war nun klar.
Ein freundliches Licht umfing sie. Es schien von überall her zu kommen und tauchte den Raum, den sie betraten, in eine angenehme Wärme. Überall gab es Sitzgelegenheiten und in der Mitte stand ein großer Tisch mit Getränken. Da gab es Tees, Wasser, Kaffee und Säfte aller Arten.
Alle blickten sich stumm staunend um. Dann nahmen sie Platz. Es war doch alles ganz schön anstrengend gewesen. Sie wollten jetzt einfach warten, was als nächstes geschehen würde.
Jemand betrat den Raum. Die Lunge merkte es sofort. Denn in diesem außergewöhnlichen Augenblick der Stille war der Raum plötzlich von einem unglaublichen Duft erfüllt. Einem Duft, der wie von tausenderlei köstlichen Speisen zu ihnen zu kommen schien. Gleichzeitig intensivierte sich das Licht, welches sie bereits beim Öffnen der großen Holztür sofort umgeben hatte. Es bahnte sich einen Weg bis tief in jede der kleinsten Zellen ihres Körpers hinein. Und die Wärme! Welche wundervoll schwingende und tanzende Wärme!
Sie war überall und umhüllte sie sanft und voller Liebe.
Noch viele Jahre später, als die Lunge schon längst ihren Enkeln und Urenkeln von diesem ersten gemeinsamen Besuch im Restaurant für Innere Organe wieder und wieder erzählen musste, gelang ihr das nie, ohne dass sie sich nicht zuvor wieder dieses unvergleichlichen Duftes, des strahlenden Lichtes und der wundervollen Wärme bewusstgeworden war und die ersten Worte ihres Gastgebers in der Erinnerung hören konnte: „Ich freue mich! Seien Sie mir von ganzem Herzen willkommen. Es ist mir eine große Ehre, Sie begrüßen zu dürfen.“
Die Organe wussten erst gar nicht, was sie darauf antworten sollten. Sie staunten. Die Müdigkeit war wie weggeblasen. Aber die Freude! Welche Freude! Sie hüpfte wie kleine Wellen mit lustigen, bunten Schaumkronen mitten durch den ganzen Raum. Die Leber fand als erstes die Sprache wieder. „Wir sind leider ziemlich spät, bitte entschuldigen Sie“, sagte sie. Aber ihr Gastgeber lächelte nur, winkte ab und sagte: „Alles nicht schlimm, Hauptsache, Sie sind gut angekommen. Sie bekommen jetzt erst mal etwas zu trinken für die Nacht. Sie bleiben doch über Nacht, nicht wahr?“ Alle nickten sofort unisono.
„Wunderbar, anschließend zeige ich Ihnen Ihre Schlafgemächer, und Sie gehen dann zur Ruhe. Morgen früh sprechen wir über das Frühstück. Was halten Sie davon?“ Alle nickten wieder. Zu etwas anderem waren sie augenblicklich nicht in der Lage. Alles war so überwältigend.
Ihr Gastgeber lächelte und blickte in die Runde.
„Und – haben Sie noch Fragen?“ Die Lunge hustete. Sie konnte einfach nicht anders. Sie musste schrecklich husten. „Oh oh“, machte ihr Gastgeber und blickte sie voller Mitgefühl an, „da müssen wir aber schnell Abhilfe schaffen“. Er ging zum Tisch, ergriff eine der zahlreichen Teekannen und eine Tasse und füllte diese. Ein wunderbarer Duft umwehte plötzlich die Lunge. Sie nahm die Tasse und begann zu trinken.
„Sie haben zu viel Stress“, sagte ihr freundlicher Helfer. Na, der hat vielleicht Nerven, dachte die Lunge noch. Natürlich hatte sie Stress. Aber je mehr sie dann von dem warmen Getränk zu sich nahm, desto mehr ließ auch der Hustenreiz nach. Sie lehnte sich dankbar in die nächste Sofaecke. Die Tasse wurde ihr wieder gefüllt. „Salbeitee.“ Ihr Gastgeber nickte wie zur Bestätigung. „Beruhigt und löst auch den Schleim. Manchmal helfen allerdings Anis und Fenchel besser oder aber Spitzwegerich.“ Während noch die Lunge entspannt ihren Tee weiter trank, wandte sich ihr freundlicher Gastgeber den anderen Organen zu.
„Hätten Sie denn auch noch gerne etwas zu trinken?“ Alle nickten wieder. Die Blase plätscherte. Und seufzte. Oh, es war ihr so peinlich! Im gleichen Augenblick aber stand neben ihr schon ein Glas mit einer dunkelroten Flüssigkeit. „Cranberrysaft“, folgte auch schon die Erklärung. „Das wird Sie stärken. “ Die Blase griff dankbar zum Glas.
„Könnten wir das denn nicht auch haben?“ Die Nieren waren neugierig geworden. „Wir sind ja schließlich ein Team.“ Ein Lachen kam zur Antwort. „Nein, Sie bekommen Tee von Brennnesseln, das wird Sie beide erst mal ordentlich durchspülen.“
Und so ging es jetzt immer weiter. Beinah wie von selber standen plötzlich Gläser, Teekannen, Teetassen und Becher vor den Organen. Leber und Gallenblase bekamen ein großes Glas frisch gepressten Apfelsaft. Der Kommentar lautete: „Na, Sie kennen das ja schon, nicht wahr?“ „Das hilft, damit mein Körper entgiftet und ich besser arbeiten kann.“, antwortete die Leber brav und war gleichzeitig ganz schön stolz.
Die anderen blickten sie groß an. Donnerwetter, die Leber hatte echt schon was drauf.
Jetzt wurde der Dickdarm neugierig. „Ich kann kaum noch entleeren“, wagte er es jetzt tatsächlich zu sagen und hatte gar keine Angst mehr. „Obwohl ich mir wirklich alle Mühe gebe.“ „Ich weiß“, sagte ihr Gastgeber und blickte auch den Dickdarm voller Mitgefühl an, wie schon die Lunge vorab. „ich erkläre Ihnen morgen, woran das liegt, jetzt aber bekommen Sie diesen Tee.“ Es roch eindeutig nach Anis und Fenchel. Auch der Dickdarm spürte wie er sich entspannte. Irgendwie schien heute Abend schon einiges in Bewegung zu kommen. Wie gut!
Nach und nach wurden alle Organe mit kalten und warmen Getränken versorgt.
Wieder senkte sich eine friedliche Stille über den warmen Raum. Sie tranken schweigend. „Es gibt immer Hoffnung“, dachte die Leber. Sie war dankbar. Und froh. Sie hatten es bis hierher geschafft, sie würde es auch weiter schaffen. Dessen war sich die Leber plötzlich ganz sicher. Sie begaben sich zur Nachtruhe. Wieder sah die Lunge das silbrig schimmernde Licht des Vollmondes durch das leicht geöffnete Fenster. Und dachte an ihre kleinen Lungenbläschen. Und war plötzlich ganz froh…
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Hier der Link zu Teil 4 der humorvollen Reise der Organe: Der Dickdarm ist erleichtert (Teil 4)
Birgit Bonin, Jahrgang 1958, hat in Köln Diplomsport studiert (Schwerpunkt Prävention und Rehabilitation), ist außerdem Heilpraktikerin und Beraterin für die Methode LifeTech, einem Verfahren zur täglichen Stressreduktion, zur Wiederherstellung und zum Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie selbständig in eigener Praxis. Birgit Bonin bietet Einzelarbeit an, aber auch Gruppenarbeit und Seminare, die sich den oben genannten verschiedenen Bereichen widmen. Ihr besonderes Interesse gilt der Realisierung aller erforderlichen Voraussetzungen, welche die persönliche Weiterentwicklung des Einzelnen ermöglichen.
Kontakt: Birgit Bonin, Fünfkirchener Straße 2, 63607 Wächtersbach
Mail:[email protected], http://www.heilkunst-birgitbonin.com